Freitag, 26. April 2024

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Titelbild: Bild der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung, Detail
(NASA/Goddard/WMAP Science Team)

Imre Szalontai

Drei
ontologische
Studien

Spiegelwirklichkeit?

Einige Gedanken über die Gegenwart der Seinsfragen

Die einzige Entschuldigung Gottes ist,
dass er nicht existiert

(Stendhal)

1.

Der ontologische Diskurs reicht bis in die altgriechischen Zeiten zurück (Hérakleitos, Parmenidés, Platón, Aristoteles) und dauert - zwar mit Beitraegen von unterschiedlichem Wert und in der Gestalt von vielerlei Ansaetzen - bis heute. Seine Geburt und seine Geschichte haengen damit zusammen, dass sich der Mensch selbst bewusst wird und damit verbunden einen Identifikationszwang in jener Welt erlebt, die er mit seinen Sinnen erfaehrt. Letztlich trugen alle bedeutende Philosophen zu dieser Geschichte etwas bei. Die Aufgabe war von Anfang an eine zweifache und gleichzeitig auch eine hoffnungslos schwierige. Als einziges Subjekt musste der Philosoph bloss auf gedanklichem Wege Aussagen für die Ganzheit der Wirklichkeit finden, und dies auf dem jeweiligen primitiven Niveau des Zeitalters und - nach dem Aufkommen des Christentums - auch noch hineingedraengt in die ideologischen Fesseln dieser Religion. Das Christentum ordnete den Menschen und die Welt ab ovo einem transzendent Wesen unter. Damit hat es auch das weitere Denken abgeschlossen und schrieb der Philosophie des Seins als einzige Aufgabe die Gottesbeweise zu.¹ Eine Gegenkraft bedeutete jedoch die Entfaltung der Fachwissenschaften und ihre rasche Entwicklung, sowie die Differenzierung des Denkens dadurch, dass jedes gelöste Problem eine Vielheit von neuen Problemen erzeugt. Eine weitere Gegenkraft ist der unbezwingbare Wille zum Wissen und zur Erkenntnis, der ohne Zweifel Teil des Gattungswesens des Menschen ist. Für heute wird die Ontologie von einer parallelen Koexistenz von vielen Ansaetzen charakterisiert, deren einzelner Ertrag wohl ihr Gegenstand mit dessen zentralen Element des Seinsnegriffes ist.

1 Selbstverstaendlich dominierten und dominieren auch andere Weltreligionen den geographischen Raum. Wir kennen jedoch keine aus ihnen, die ihre besten Denker in den Feuertod geschicht haette.

2.

Es gibt keinen allgemeineren Begriff als der Seinsbegriff, denn er nimmt jeden Gegenstand und jede Erscheinungsform der Wirklichkeit in sich auf. Dadurch drückt er eine Wirklichkeit aus, die in dem grössten Ausmass universal ist. Die breiten, exakter gesagt, die breitmöglichsten Grenzen sind aber keineswegs mit dem Mangel der inneren Struktur, mit der Leugnung oder der Nicht-Klassifizierbarkeit der Gattungsunterschiede oder gar mit der Nicht-Diskutierbarkeit des Gegenstandes gleich. Geklaert werden muss, was Sein und Nicht-Sein, mathematische und physische Wirklichkeit, das Natürliche und das Übernatürliche ist. Geklaert werden muss auch, in welcher Relation diese Momente zu einander stehen und es muss Position genommen werden auch über Gott. Uns ist, wegen der dramatischen Entwicklung der Naturwissenschaften in den vergangenen hundert Jahren kam gerade in unserer Gegenwart die Zeit zum Nachdenken über diese fundamentalen Probleme. Im Zeitalter der Vereinigung der Wechselwirkungen, der Umwertung der Materie und der Gravitation, sowie der Evidenz des Unsicherheitsprinzips muss man andere „letzte Fragen” stellen, um richtige Antworten zu bekommen. Hierzu gehört auch die Rolle des Menschen, denn das Sein als philosophische Kategorie ist ohne das interpretierende Subjekt auch im Falle einer real existierenden und virtuellen Welt nicht zu interpretieren.

Zunaechst soll man sich mit der Totalitaet des Seins auseinandersetzen. Wegen der Nichtexistenz des Vakuums, der Strukturiertheit der Raum-Zeit und der Universalitaet der Bewegung existiert alles, was materiell oder begrifflich erfassbar ist. Auf eine paradoxe Weise existiert auch das Nicht-Sein, das durch die (gleichfalls totale) Leugnung des Seins eine selbstaendige Entitaet gewinnt. Andererseits ist Sein auch ein Prozess, der von Materialitaet zum Bewusstseinszustand auf dem Wege ist.

Im Laufe der Perzeption fixiert das Gehirn eine ungeordnete Informationsmannigfaltigkeit. Im Verstehensvorgang erkennt es durch Vergleich, Schwerpunktsetzung und Abstraktion Gesetzmaessigkeiten, die es als Grundsteine erkennt. Durch diesen Prozess baut sich ein gewisser Mikrokosmos, das „Spiegelbild” der Realitaet im Subjekt auf. Es heisst, in der Erkenntnis verdoppelt sich etwa die physische Welt, im Spiegel ist sie jedoch nur durch ihre Substanz vertreten. Die Materie - durch die Stufe der lebendigen Materie hindurch - dirfferenziert sich kontinuierlich, ihr Bewusstseinszustand nimmt zu.
In dieser „Konstellation” ist die Materie des endlichen Universums das Objekt und die Totalitaet der seine Daseinsweise bestimmenden Gesetze das Subjekt. Ihre Abhaengigkeit voneinander ist gegenseitig. Nicht nur die Materie ist ohne Eigenschaften nicht vorstellbar, sondern auch das Zur-Geltung-Kommen der Gesetze ist nur durch die materiale Welt möglich. Deshalb laesst sich aussagen, dass das Dasein auch Wirkung und Relation ist, denn keines seiner Elemente ist von allen anderen, bzw. dem Ganzen unabhaengig. All dies sagt aber noch nichts über den Ursprung, „Grund”, das Dilemma der Schöpfung und das Erschaffensein, überhaupt der Beweisbarkeit oder der Nicht-Beweisbarkeit des Daseins. Die Welt kann ebenso virtuell wie wirklich existieren. Das Subjekt ist Teil des Welt, seine Erkenntnis ist deshalb begrenzt. Mit der Schöpfung ist es ebenfalls der Fall. Aufgrund des Daseinsbegriffs müssen wir die Transzendenz verbannen, denn nichts kann ausserhalb der universalen Wirklichkeit existieren. So kann es wegen des Kausalprinzips kann auch die Welt auch keine Ursache haben, denn sie existiert infolge der Schöpfung als eine Wirkung. Trotz ihrer interessenten Ansaetze müssen wir die Geschichte der Ontologie bedauerlicherweise letzten Endes als eine Geschichte des Scheitern ansehen. So blieb auch Gott trotz den grandiosen Anstrengungen des Denkens Glaubensfrage. Dem spontanen „Erschaffensein” fehlt jedoch der Grund und es laesst sich deshalb nicht vertreten.

Wenn es auf eine Frage jedoch ganz und gar keine Antwort gibt, dann war die Frage schlecht. Die traditionelle Ontologie braucht neue Ansaetze, deshalb muss sie (mindestens provisorisch) erlauben, dass auf ihre früheren Fragen beliebig neue Antworten gegeben werden, indem sie diese Fragen nun als indifferent ansieht. Die neuen Fragen sind grundsaetzlicher als die vorangegangenen. Nicht das muss man fragen, wie die Welt geworden ist und wie sie ist, sondern ob sie existiert und wenn ja, was genau sie ist.

Die apriori-Definition des Seins kann nichts anderes sei als die positive Negation des Nichtseins. Die ausführlichere Antwort muss gleichzeitig das transzendente Element entbehren und aus der universalen Wirklichkeit herkommen, die nach dem Seinsbegriff konstituiert ist. Diese Antwort wird dann kein „Draussen” mehr haben. Zu diesem Zweck müssen wir einen neuen Begriff einführen, der von zusammenfassendem Charakter ist. Man muss deshalb seinen Inhalt gliedern und strukturieren.

3.

Die Mathematik gilt als besondere philosophische Kategorie und steht mit der physischen Realitaet zu einer speziellen Relation. Sie ist nicht von materieller Art, sie ist deshalb von Zeit und Raum unabhaengig. Aus ihren Wahrheiten kann jedes physikalisches Gesetz abgeleitet werden (umgekehrt ist es aber nicht der Fall, aus den Gesetzen der Physik lassen sich ausschliesslich physikalische Erscheinungen ableiten). Eine unendliche Menge von mathematischen Elementen (Zahlen, Axiomen, Paradoxa, usw.) und ihrer Zusammenhaenge macht den Begriff der mathematischen Wirklichkeit aus. Die mathematische Wirklichkeit ist Teil der universalen Wirklichkeit (deshalb laesst sich ihre Existenz nicht in Zweifel ziehen), sie ist jedoch nicht Teil der physikalischen Wirklichkeit, sie ist die Grundlage derselben, und zwar dadurch, dass sie die Existenzweise derselben determiniert. Die physikalische Welt gilt als Manifestation, eigenartige Transformation und „bildhafte Realisation” der mathematischen Wirklichkeit (vgl. das Höhlengleichnis von Platon), sie ist jedoch gleichzeitig auch eine umfassendere Kategorie als diese. Bolyai’s gekrümmter Raum widerlegt die Thesen der euklidischen Geometrie keineswegs, sie dehnt sie nur auf die nicht-euklidische Geometrie aus. In der euklidischen Geometrie, die ebenso Teil der mathematischen Wirklichkeit ist, ist die Summe der inneren Winkel auch weiterhin 180 Grad. Die Gesetze der Mathematik bestimmen auch die vermutlich andere Physik der „schwarzen Löcher”.² Unendlich viele physische Wirklichkeiten mögen existieren, es gibt aber nur eine mathematische Wirklichkeit. Und sie ist unabhaengig von allem, konstant und ihre Enthropie ist Null. Als ihr Gegensatz, laesst sich ein Zustand ontologisch denken, der ohne physische Wirklichkeiten existiert, in diesem Fall waere die universale Wirklichkeit mit der mathematischen Wirklichkeit identisch.

2 Die gigantische Energie der schwarzen Löcher bricht wahrscheinlich die Grenzen unseres dreidimensionalen Raumes durch und öffnet eine neue Ausdehnung in die vierte Dimension, wo eine andere Physik gilt, beispielsweise ist die Geschwindigkeit des Lichts niedriger.

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